Frühling 2015 – Die Rekonstruktion des Millerntors ist seit einem Jahr
abgeschlossen. Durch die extrem hohen Tribünen werden die Zuschauer nun
auch nicht mehr von Sonnenstrahlen geblendet. Allerdings fällt auch kaum
noch natürliches Licht auf den heiligen Rasen, sodass dieser langsam
aber sicher vergammelt.
Im Zuge
der Feierlichkeiten zum Erreichen der Champions-League kommt es nach dem
letzten Saisonspiel gegen Eintracht Frankfurt zu einem Treffen der
Führungsetage. Die FC-Verantwortlichen berichten den Gästen aus Hessen
von ihrem Problem.
Diese
hatten nach dem Umbau der Commerzbank-Arena anno 2007 ähnliche Probleme.
Die Hessen setzten damals eine gigantische Konstruktion zur künstlichen
Beleuchtung ein. Von einem riesigen über das gesamte Spielfeld ragenden
Leicht-Stahlgerüst beschienen abertausende Leuchtkörper das geschundene
ehemals grüne Braun.
Nun
erinnerte man sich bei der St. Pauli-Vermarktung an die Zeit der
Rasenpaten und Weltpokalsiegerbesiegerretter. Am nächsten Tag verkündet
die Homepage stolz: „Jetzt Rasen-Retter werden! Schon ab € 1,90! Jetzt
ihre individuelle Rasen-Retter-Lampe bestellen und selbst in die Fassung
drehen! 100 Watt für nur € 1,90, 1000 Watt für € 19,10 oder die
exquisite Version mit 10000 Watt für 1910 Euro“. Es wird ein großer
Marketingerfolg.
Zur
Rasen-Retter-Party Mitte Juli 2015 strömen weit über 25.000 Menschen ans
Millerntor und feiern die gut 500 Rasen-Retter frenetisch, als diese zu
den Klängen von Hells Bells durch den Spielertunnel das Stadion-Innere
betreten. Ein jeder trägt seine persönliche Rasen-Retter-Lampe auf einem
braun-weißen Samtkissen gebettet vor sich her. Eine feierliche Zeremonie
mit genau festgelegter Schrittabfolge für die Protagonisten. Zur
kommenden Saison will man schließlich wieder ein sattes Grün vorweisen
können. Doch einige wenige der Rasen-Retter-Lampen-Eindreher „verlieren“
bei dem Prozedere ein paar Grassamen auf dem Rasen. „Wohl mit Absicht“,
wie die Tageszeitungen wenige Wochen darauf mutmaßen. Am Millerntor
beginnen da schon die ersten Cannabis-Pflanzen zart zu blühen.
Kurz
vor Beginn der Erstliga-Spielzeit 2015/16 erreicht den FC St. Pauli ein
Schreiben des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), indem die sofortige
Platzsperre für das Millerntor ausgesprochen wird. Blankes Entsetzen
beim Präsidenten, der umgehend seine langjährigen Kontakte nach Kuba
nutzt und eine Expertenkommission auf den Kiez beordert. Diese bestätigt
die Annahme des DFB, dass es sich bei der Begrünung des Millerntors
eindeutig nicht um bespielbares Gras handelt, dafür um rauchbares.
In
einer Nacht und Nebelaktion entschließt man sich die Pflanzen sofort zu
ernten und die nahe gelegene Turnhalle für die kompletten Sommerferien
anzumieten, um sie als Trockenspeicher zu nutzen. Man ist sich sicher,
die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Schließlich müsste man es
doch gewinnbringend an den Mann bringen können.
Nur die
Vermarktung hat ein Problem: Wo soll man mit dem zu erwartenden riesigen
Ertrag hin? Auf der Internetseite könnte man es ja schlecht zum Verkauf
anbieten, schließlich ist dies verboten – da hat sich in Deutschland
nichts geändert.
Auf
einer gemeinsamen Sitzung von Präsidium, Ehren- und Aufsichtsrat sowie
etlichen Fanvertretern wird beschlossen interessierten Mitgliedern die
so genannte „lebenslange Hanfkarte“ (LHK) anzubieten. Preis, na logo,
1910 Euro. Als Inhaber dieser LHK würde man bis an sein Lebensende aus
der vereinseigenen Züchtung versorgt werden. Dafür sollte die Turnhalle
zunächst angemietet bleiben und mittelfristig eine unter dem Millerntor
gelegene Zuchtanlage errichtet werden. Zusätzlich wurde mit Ex-Profi
Fabian Boll ein Greenkeeper engagiert.
Nachdem
sich viele Fans und auch zahlreiche Prominente, vornehmlich aus der
Hamburger Politik und Wirtschaft gefunden haben, startet das Projekt.
Erneut kann ein großer Erfolg verbucht werden. Durch die enormen
Mehreinnahmen konsolidiert sich der Verein binnen kürzester Zeit. Die
Idee der unterirdischen Aufzuchtanlage wird verworfen und stattdessen
die HSH-AOL-Pokerroom-Arena am Volkspark gekauft und als neuer
Produktionsstandort für die vereinseigene Cannabissorte „Santa Sativa
Pauli“ hergerichtet. Der bislang dort beheimatete Verein hat nun in der
Vierten Liga keinerlei Verwendung für das Monument aus dem letzten
Jahrtausend. Der St. Pauli-Fanladen bekommt die Vermarktungsrechte für
den Totenkopf zurück und ein Cannabisblatt ziert fortan das Logo des
schon immer etwas anderen Vereins...
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